Das jüngste Gericht

Die christlichen Kirchen erinnern zu Ostern an den Kreuzestod und die Auferstehung Jesu Christi, durch die im christlichen Glauben die Erlösung der Menschheit von der Sünde und die Aussicht auf ewiges Leben begründet wird. Damit in Verbindung steht die christliche Vorstellung des Jüngsten Gerichts, bei dem die Toten zum Leben erweckt werden.

Die Auffassung eines göttlichen Gerichts am Ende des Weltgeschehens geht auf antike bzw. alttestamentliche Vorbilder zurück, nach dem neuen Testament erscheint Christus am Jüngsten Tag, um die Lebenden und die Toten nach ihren Taten zu richten.

Das Matthäusevangelium kündigt an, dass „der Menschensohn in seiner Herrlichkeit kommt […]  Und alle Völker werden vor ihm zusammengerufen werden, und er wird sie voneinander scheiden, wie der Hirt die Schafe von den Böcken scheidet. Er wird die Schafe zu seiner Rechten versammeln, die Böcke aber zur Linken […] Und sie werden weggehen und die ewige Strafe erhalten, die Gerechten aber das ewige Leben“ (Mt 25,31‒46).

Das Jüngste Gericht ist eines der zentralen Themen der christlichen Kunst des Mittelalters und der frühen Renaissance, das bekannteste Werk ist das Stirnwandfresko Michaelangelos in der Sixtinischen Kapelle.

Der Flügelaltar in der Pfarrkirche St. Remigius in Gampern wird auf das letzte Jahrzehnt des 15. Jahrhunderts datiert. Der Schnitzer des Altars ist nicht mit Sicherheit nachzuweisen, es könnte sich um den Meister des Flügelaltars von Hallstatt, Leonhard Astl, handeln, während viele Malereien mit der Nürnberger Schule des Michael Wohlgemut in Verbindung gebracht werden.

Der Altar zeigt in geöffnetem Zustand einen Schrein mit der gekrönten Muttergottes als Himmelskönigin mit dem Jesuskind auf dem Arm, ihr zur Seite die Kirchenpatrone Remigius und St. Pantaleon. Auf den Flügelreliefs finden sich Szenen aus dem Weihnachtsfestkreis. Bei geschlossenem Altar sind Szenen der Passion dargestellt, die Tafelgemälde der Standflügel zeigen verschiedene Heilige.

Die um 1515 entstandene Darstellung des Jüngsten Gerichts befindet sich auf der Rückseite des Altars. Unter der Figur des Weltenrichters, der von posaunenden Gerichtsengeln und der knienden Figur der Maria zur Rechten und jener des Johannes des Täufers zur Linken flankiert wird, ist das Bild geteilt (REALonline 000177F und 000177G) .

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Jüngstes Gericht, Flügelaltar, Gampern, Pfarrkirche Hl. Remigius, um 1490/1500

Auf der linken Gerichtsseite (rechts aus Sicht des Betrachters) wüten mehrere, teilweise mit Keulen bewaffnete Dämonen, die die Verdammten zum feuerspeienden Höllenschlund zerren. Ein Mann mit einem Geldsack, der zur Hälfte auf die Seite der Gerechten hinüberragt, wird von einem Höllenknecht auf die Seite der Verdammten befördert. Ungefähr in der Mitte des Bildes ist der Erzengel Michael dargestellt, der in Landsknechtsmontur mit gezückter Hellebarde einen Teufel davon abhält, auf die andere Seite vorzudringen.

Die Seite der Gerechten zeigt Graböffnungen, aus denen unter der Obhut eines Engels Auferweckte aus den Gräbern entsteigen. Am rechten Rand stehen zwei Frauen in ihren Gräbern, die offenbar nach dem langen Todesschlaf einiges an Konversation nachzuholen haben, im Vordergrund assistiert ein Engel einem Mönch beim Heraussteigen aus dem Grab. Vor einer im Hintergrund gemalten Himmelspforte steht Petrus in Purpur gewandet mit einem Schlüssel in der Hand, der einen nur spärlich bekleideten Papst, erkennbar an der Tiara am Haupt, begrüßt.

J.L.