Zumindest unter den etwas älteren Semestern unter den LeserInnen dieses Texts dürften sich in den letzten Jahren eigentümliche Gefühle beim Reisen durch Europa eingestellt haben: Plötzlich bilden sich wieder Staus an Landesgrenzen, die man in dieser Form nicht mehr für möglich gehalten hat, ernst blickende Exekutivbeamte mit Bewaffnung sorgen für die dazu passende Beklemmnis.
Die aktuellen Grenzkontrollen als Teil der politischen Restriktionen im Gefolge der sogenannten „Flüchtlingskrise“ in Europa 2015 können im historischen Kontext auch dahingehend interpretiert werden, dass das Verständnis von „Grenze“ und der Umgang mit Menschen an solchen veränderlich war und ist und dementsprechend auch kulturell wie politisch unterschiedliche Bedeutungszuschreibungen erfuhr. Im Früh- und Hochmittelalter prägten Marken – mehr oder weniger breit definierte Grenzsäume, z.T. mit besonderen Verwaltungsaufgaben – den Übergang von einem Land zum nächsten. Erst mit dem zunehmenden territorialen Verständnis von Herrschaft im Spätmittelalter setzen sich Grenzen als linear im Raum gedachte und dementsprechend auch zu markierende Strukturen durch.